Max Schindele aus Friesenried nennt eine solche Feuerwehr-Eckhaube sein eigen. Sie hört auf den Namen Magirus-Deutz 150 D 10 A TLF 16-25.
Fotos: Oldtimerreporter.Müller
Es gab und gibt im Alltag Dinge, die absolut untrennbar miteinander verbunden sind. Der Cowboy gehört zu Amerika, der Stern zu Mercedes – und Magirus gehörte zur Feuerwehr. Gefühlte 98% der rot-weißen Lebensretter waren mit einem stilisierten Ulmer Münster auf dem „Kühlergrill“ unterwegs. Inklusive Gänsehaut-verdächtigem Gebläseheulen des wackeren Deutz-Motors. Wir erinnern uns alle, kaum ein Brandeinsatz, der nicht vom Kölner V6 – oder V8-Singsang begleitet wurde. Wenn der Motor seine Drehzahl anhob, um die Vorbaupumpe in Schwung zu bringen, war das Musik für die Deutz-Fans. Unvergessene Musik, ein Evergreen sozusagen. Gerne schoben die Magirus-Wehren eine runde Haube vor sich her und hörten auf himmlische Namen wie Saturn oder Merkur. Riesige Dreispeichen-Lenkräder halfen dabei, die notwendige Lenkkraft aufzubringen. Servohilfen fanden sich lange Zeit nicht unter den schönen Hauben. Ein kräftiges Frühstück vor Dienstantritt konnte nie schaden.
Aber wie kam es überhaupt zu der engen Verbindung zwischen Magirus und den Feuerwehren? Vereinfacht gesagt: Magirus war sehr früh dran. Bereits um 1870 herum dachte der Ulmer Feuerwehrmann Conrad Dietrich Magirus darüber nach, wie er das Arbeiten für sich und seine Kameraden ungefährlicher machen könnte. Immer wieder geschah es bis dahin, dass Feuerwehrleute auf wackligen Holzleitern in die Tiefe fielen und sich ernsthaft verletzten. Magirus entwickelte die „Ulmer Leiter“, eine stabile Schiebeleiter mit bis zu 14m Steighöhe. Es folgten Entwicklungen wie die Seilwinden-Leiter, die Petroleum-Kraftspritze und die erste automobile Drehleiter. Ab 1916 stellte man eigene LKW her, damals noch mit Ottomotoren. Der Zusammenschluss mit Humboldt-Deutz im Jahr 1936 brachte den sparsameren Deutz-Diesel unter die Haube, eine perfekte Ergänzung. Ab 1949 firmierte man als Magirus-Deutz, bereits 1944 hatte der luftgekühlte Diesel sich gegen den wassergekühlten Kollegen durchgesetzt. 1951 präsentierte Magirus –Deutz die formschönen Rundhauber. Deren Hauben zeigten aber im Geländebetrieb starke Verwindungen, weshalb die Allradmodelle eine stabilere Eckhaube erhielten.
Womit wir bei der Magirus-Feuerwehr von Max Schindele aus Friesenried sind: Er nennt eine solche Feuerwehr-Eckhaube sein eigen. Sie hört auf den Namen Magirus-Deutz 150 D 10 A TLF 16-25. Uff! Diese ausladende Modellbezeichnung bedarf der Erklärung: Magirus-Deutz ist klar. 150 steht für die PS-Zahl des V6- Deutz-Motors F6L714 mit 9500 cm³. D=Deutz, die 10 zeigt das ungefähre zulässige Gesamtgewicht in Tonnen an. Ganz wichtig hier der Zusatz „A“ für Allrad, ein entscheidendes Plus in gebirgigen Landschaften. TLF = Tanklöschfahrzeug, 16= Förderstrom 1600L/min, 25= 2500 Liter Wassertank. Sechs gestandene Feuerwehrleute fanden Platz im TLF 16-25, wohl auch deshalb war es das beliebteste Feuerwehrfahrzeug seinerzeit. Kein Wunder also, dass sich die Feuerwehr des Kaufbeurener Stadtteils Neugablonz 1968 für den Kauf eines solchen Magirus-Deutz 150 D 10 A TLF-16-25 entschied. Wäre es ein Jahr älter, hätte es den Brand des Marktoberdorfer Schlosses vermutlich so erlebt: „Am Nachmittag des 5.Oktober wartete ich in Ruhe darauf, was der Tag noch an Einsätzen bringen würde. Plötzlich hörte ich die Alarmglocken. Stimmengewirr, Hektik, Sprachfetzen wie „Brand im Schloss Marktoberdorf“. Sechs Männer enterten meine Fahrkabine, Druckluftschlauch gelöst, kurzes Vorglühen und auf nach Marktoberdorf. Ich gab alles und beschleunigte auf 75 km/h. 10 Minuten später waren wir vor Ort. Der Westflügel des Schlosses brannte, etliche andere Wehren kamen dazu und löschten, was das Zeug hält. Menschen und Akten wurden evakuiert. Im Schloss waren damals das Finanz-, Landrats- und Schulamt sowie die KFZ-Stelle untergebracht.
Nicht ganz so anstrengend war das Leben des Magirus bei der Freiwilligen Feuerwehr. Jedenfalls hat er sich bei den Kameraden in Friesenried dank liebevoller Pflege gut gehalten.
Mit meinen 1600 Litern Förderleistung in der Minute war ich sehr hilfreich beim Brand, der Deutz-Motor lief zuverlässig, wie erwartet. Trotzdem dauerte es bis zum frühen Morgen, ehe der Brand endgültig gelöscht war. Sechs erschöpfte Feuerwehrmänner fuhren mit mir nach Hause und schwiegen.“ Solche extremen Einsätze waren auch seinerzeit nicht alltäglich, aber auch die „kleineren“ Einsätze waren (und sind) herausfordernd. Die Bedienung der Fahrzeuge erforderte eine Menge Kraft, Servohilfen waren noch längst nicht Standard in den Feuerwehren – auch nicht im Neugablonzer Magirus. Lauscht(e) man dem Deutz-V6 in einer ruhigen Stunde, so war (ist) dessen Motorlauf ein Genuss. Musste der Motor sich dauerhaft anstrengen, wurde er unbequem laut. Als Teil des Löschzuges der Neugablonzer freiwilligen Feuerwehr blieb ihm das Schicksal des 24/7-Dauereinsatzes allerdings erspart. Das schonte die Kräfte der Feuerwehrleute – und das Fahrzeug selbst. Der Magirus erfreute sich zudem immer einer guten Pflege, eine penible Wartung ist schließlich im doppelten Sinne lebenswichtig für eine Feuerwehr. Manche mögen jetzt sagen, die Feuerwehrfahrzeuge stehen doch oft „nur herum“, was soll da schon Schaden nehmen. Vieles, kann man sagen. Denn wenn sie fahren, tun sie das unter vollem Einsatz ihrer Kräfte, buchstäblich aus dem Stand. Merke: Höchstdrehzahl bei kaltem Motor kann auch dem tapfersten Motor an die Nieren gehen bei fehlendem Service.
Die Neugablonz-Feuerwehr überstand die Jahre im Bestzustand. So nahm die Gemeinde Friesenried 1991 einen 1968er Magirus in Empfang, der quasi neuwertig daherkam. Restaurierungsarbeiten? Hier nicht notwendig. Der Kauf eines Schweißgerätes lohnte sich nicht, es gab schlicht nichts zu verbessern an dem rot-weißen Laster. Im Gegenteil, er erwies sich als äußerst rüstig. 1995 geriet eine große Halle mit Heu und Stroh in Brand, ein angrenzendes Wohnhaus war in akuter Gefahr. Wer löschte in vorderster Front? Ganz klar, TLF 16. Natürlich kümmerte man sich in Friesenried auch liebevoll um den Magirus, wie es sich für „einen alten Herrn“ gehört. Wartung und Pflege selbstverständlich. Ab 1995 mit tatkräftiger Unterstützung des Gerätewarts Max Schindele, der wieder in seinen Heimatort zurückkehrte. Die erste Bande war also geknüpft. Man ahnt es, solch ein Magirus zieht den Betrachter in den Bann und lässt ihn ungern wieder los. Das Heulen des Kühlgebläses, der Singsang des V6-Diesels, die schönen Formen des Eckhaubers, all das ergibt eine Melange, die eindeutig Lust auf mehr macht. Aber noch versah der Magirus seinen tapferen Dienst, genau gesagt bis ins Jahr 2018. Erst dann setzten eine defekte Löschwasseransaugung und in Ehren gealterte Reifen der aktiven Karriere ein Ende.
Kurze Zeit im Dienste der Jugendfeuerwehr: Das TLF 16 von Max Schindele.
Die Jugendfeuerwehr erfreute sich kurzzeitig am Deutz als Ausbildungsfahrzeug. Der Respekt dürfte mächtig gewesen sein. 2019: Max Schindele kam, sah und übernahm- einen 51-jährigen Florianswagen im Bestzustand. Was zu tun war? Ganz einfach: Auf 7,5 Tonnen ablasten, H-Kennzeichen beantragen. Die Steuerrechnung für 9500 cm³ alten Diesel-Hubraum ohne H möchte man sich schließlich nicht ausmalen… Arbeiten muss er nicht mehr, der alte Recke. Er bewohnt eine bequeme Halle und sorgt für einen regen „Touristenstrom“ zu seiner Unterkunft. Vermutlich erblassen Max Schindeles andere Oldtimer ein wenig vor Neid. Dabei haben die auch einiges zu bieten: 1952er Hanomag R22, Eicher ED16 Baujahr 1959, Lanz D 1266, Lanz Alldog 1806. Nicht schlecht für den Anfang, aber einer geht noch: Magirus-Deutz 150 – 16 ANW „Baubulle“, ein Name wie Donnerhall. Im Moment braucht der etwas Zuwendung, wird aber bald wieder über die Allgäuer Straßen heulen. Dann gerne mit seinem Feuerwehr – Onkel 150 D 10 A. Conrad Dietrich Magirus wäre brennend interessiert!